Die avantgardistische Twiel Z7 ist da. Zum spektakulären Design kommt innovative Technik – wie Energie-Rückgewinnung.
Die Twiel ist da: Auf der boot 2025 steht der Prototyp des innovativen Motorboots vom Bodensee, und wie erwartet ist der geschwungene Doppelrumpf vom Publikum umlagert. Michael Zupritt schmiegt sich zwischen Rumpf und Bug wie ein Sänger in die Bucht eines Konzerflügels und strahlt. „Am 25. Dezember waren wir fertig.“
Sein Weihnachtsgeschenk ist noch eindrucksvoller, als die Renderings vom Sommer 2024 versprachen. Der Rumpf Anthrazitgrau, die Polster in einem warmen Senfgelb gehalten, das Deck mit blauem Teppich bespannt. Das ist extrovertiert und avantgardistisch, wie man es sich von dem Projekt erwartet.
Eine Menschentraube bildet sich an der Front der fast acht Meter langen Konstruktion. Hier wölbt sich von den beiden Rümpfen ein lässiger Bogen nach vorn zum Bug, der fast einen halben Meter über die zwei Steven hinausragt. So entsteht ein Portal, das wie ein riesiger Schlund wirkt, ein Entenschnabel, eine Einsaugvorrichtung … – der Assoziationen sind viele. „Wir haben fünf Jahre über dem Design gesessen“, sagt Zupritt.
Schnell war klar: „Wir wollen nicht noch eine weitere Riva bauen, es soll was völlig anderes sein.“ Aber wie? Ein Katamaran-Boot sollte es sein, weil ein Antrieb mit zwei schmalen Rümpfen weitaus effizienter fährt als mit klassischem Monohull-Rumpf. „Aber ein Kat sieht eben nicht gut aus.“ Zupritt schüttelt den Kopf. „Irgendwann über Nacht kam mir die Idee: Wir ziehen die Schnauze nach vorn, und eben nicht nach hinten.“ Von der Seite erkennt man nicht den Kat – aber wie ein gewöhnliches Motorboot kommt die Twiel auch nicht daher.
Bis zu 40 Knoten mit zwei Innenbordern
Auf jeden Fall sieht sie dynamisch aus. Doch natürlich wird der Antrieb des Bodensee-Boliden kein brüllender V8 sein. Die Twiel Z7 beflügeln zwei Elektromotoren. In jedem Rumpf dieses Katamarans steckt ein Innenborder von ePropulsion, dem chinesischen Hersteller elektrischer Bootsmotoren. Es handelt sich um den mittleren Innenborder-Antrieb ePropulsion i20 mit 20 kW, umgerechnet 27 PS. Er kam 2023 auf den Markt, also genau rechtzeitig für das Projekt Twiel.
40 Knoten sind rechnerisch möglich, schätzt Zupritt. Das gibt genug Durchschlagskraft für ein großes Gewässer. Zum Beispiel den Bodensee, wo ein Schlag von Lindau nach Konstanz immerhin 40 Kilometer beträgt, oder auch für den Küstenbereich. Man wird sehen. Im Wasser war die Twiel noch nicht, das soll möglichst bald nachgeholt werden (natürlich mit float).
Und dann stehen auch noch die ersten Tests einer Technik aus, die fast genauso aufregend zu werden verspricht wie das neue Boot. Zupritt: „Er soll den Strom für seinen Antrieb selbst herstellen.“ Gespannte Stille. Wie, mit Solarzellen? Der Erfinder lächelt geheimnisvoll, schüttelt dann den Kopf. Nein – zwischen den Rümpfen werde ein Wasserrad angebracht. Wie ein Mühl- oder Turbinenrad dreht es sich im vorbeiströmenden Wasser. Das treibt einen Generator an, der die Akkus mit Strom beschickt. Ist die Twiel unterwegs, wird das Rad automatisch geliftet, um keinen Strömungswiderstand zu bieten. Daher funktioniert das System nur in Fließgewässern.
Der Twister ist auch etwas für Segelboote
Zurzeit ist das schwimmende Wasserkraftwerk noch in Entwicklung. 2026 soll es kommen. Einen Namen hat es bereits: „Twister“, das passt zur Twiel. Doch Zupritt denkt bereits weiter: Das System lässt sich auch skalieren, an kleiner oder größere Kats anpassen. Es soll auch eine schwimmfähige Variante geben, die ein Segelboot hinter sich herschleppen kann. Das wäre – analog zum Windgenerator oder Solarsegel – eine dritte Möglichkeit, beim Segeln unterwegs ganz nebenbei Energie zu gewinnen.
Denkbar wäre auch, das Wasserrad gleich zum Antrieb zu machen, ihm also eine Doppelfunktion zu geben. Damit würde sich die Twiel noch mehr dem Elektroauto annähern. In Fahrt schaufelt sie der Twister als E-Motor an, in der Parkposition am Flussufer gewinnt er wie ein Wasserkraftwerk Strom. Oder beim Verzögern kurz vor dem Anlegen. Rekuperation wird das von der Autoindustrie genannt. Es ist grundsätzlich auch in der Schifffahrt möglich und wird vereinzelt – zum Beispiel beim hybriden Fährschiff „Alpenperle“ auf dem österreichischen Weißensee – auch schon praktiziert. Zupritt hat auch das im Blick. Wann? Noch offen.
Vor vier Jahren ging das süddeutsche Unternehmen Mizu Marine mit acht Mitarbeitern in Hilzingen bei Singen die Konzeption des neuen Boots an. Dabei geht es „um nichts Geringeres als die Schaffung eines neuen Schiffskonzepts, die Umsetzung neuer Technologien und gleichzeitig die Einführung eines neuen Fahrgefühls und Fahrvergnügens“. So ein Satz (auf der Firmenwebsite) weckt natürlich hohe Erwartungen.
Die Twiel zielt auf den Bodensee
Das vollmundige Statement zielt – natürlich – auf das aufsehenerregende Design. Es ähnelt einer Welle. Alles fließt – sinnbildlich – im Rumpf der Twiel Z7. Für ihren Namen stand übrigens der Hohentwiel Pate. Das ist der markante Hausberg von Hilzingen. Jenseits davon, weiter im Osten, liegt der Bodensee. Dort erwartet Zupritt auch die Kundschaft des neuen Motorkatamarans.
Denn auf dem zweitgrößten natürlichen See Mitteleuropas könnte die Nachfrage nach Elektrobooten in absehbarer Zeit stürmisch wachsen. Bereits im Jahr 2040 sollen Boote, Yachten und Fähren dort komplett emissionsfrei betrieben werden. Das haben Deutschland, Österreich und die Schweiz, die drei Anrainer des internationalen Gewässers, jüngst vereinbart.
Möglichst bald will Michael Zupritt seine auf die kommenden Bestimmungen abgestimmte Antwort anbieten. Das Gesicht macht sie unverwechselbar, die fließenden Linien gefällig, und mit 54 PS auf zwei schlanken Rümpfen dürfte das zu erwartende Tempo ebenfalls Spaß machen.
Die Rumpfkonstruktion hält, was Antrieb und Anmutung versprechen. Die Twiel hat einen Gitterrahmen aus Sperrholz, vereint somit nachhaltige Werkstoffe und modernen Leichtbau. Dass sich mit dem uralten Bootsbaumaterial auch anspruchsvolle Designs und hohe Antriebsleistung miteinander verheiraten lassen, zeigt bereits Hans-Jürgen Kaiser aus dem niederbayerischen Straßkirchen in seinen eleganten Runabouts. Und im Segelbereich will Jan Brügge mit der Woy 26 ebenfalls den Beweis führen.
Doppelrumpf ist fast unsichtbar
Die Twiel macht eine interessante Kombination aus Retroklassik und Bionik zum Thema. „Die patentierte Rumpfform lässt Sie sanft durchs Wasser gleiten und sorgt für ein angenehmes Fahrgefühl.“ Ihre konstruktive Besonderheit: Das Doppelrumpf-Prinzip, das ihr Effizienz und Sicherheit bringen soll, ist im Überwasserschiff fast unsichtbar, beinahe versteckt. Wenn man so will, hat Zupritt den Kat unter einer eleganten Karosserie versteckt.
Das vordere Drittel koppelt sich vom gestalterischen Grundsatz „Form follows Function“ radikal ab. Das ist frech, und zugleich ungemein sympathisch in einer Zeit, in der sehr viel einem möglichst großen Nutzen untergeordnet zu sein hat. Hier wächst der Schnabel, der sich über den zwei Rümpfen wölbt, zur ästhetischen Besonderheit. Beim Prototyp sind die Schnauze, wie Zupritt den vorkragenden zentralen Bug selbst nennt, und die beiden Rümpfe mit ihren scharfen Kanten geradezu diffizil ausgeformt. Instinktiv sorgt man sich um die Empfindlichkeit bei Anlegemanövern. Doch hier soll eine Scheuerleiste dafür sorgen, dass zumindest leichte Parkrempler folgenlos bleiben. Und für die Front ist eine Masse an Optionen denkbar, vom chromblitzenden Pseudo-Kühlergrill bis zum Öko-gerechten Kork-Kante.
Was auch immer die zukünftige Kundschaft auswählt: Die Twiel wird man in der Marina unter hundert anderen Booten mühelos wiederfinden. Allein deswegen, weil sie das einzige Auto zwischen Booten ist. Ihre Frontpartie weckt in ihrer Formgebung – der scheinbaren Motor-Haube nebst der angedeuteten Kotflügel (ohne Räder dahinter) – Assoziationen zu historischen Kompressor-Sportwagen der 1930er-Jahre.
Mit etwas Fantasie ergeben sich sogar Parallelen zum berühmtesten aller „Silberpfeile“, jenem Mercedes-Rennwagen mit Stromlinienkarosserie W 196 von 1955. Beim Preis erreicht der elegante Entwurf ähnliche Höhen: Zupritt schätzt, dass der Twiel ab 380.000 Euro kosten wird. Es ist eben ein ganz besonderes Boot.
Natürlich soll die Twiel keine Temporekorde aufstellen – sie soll vor allem Spaß machen. „An Bord der Twiel wird der Skipper wieder zum Kapitän.“ Für den Ausflug am Wochenende mit Familie und Freunden auf dem Wasser, die zu sechst Platz in dem bewusst schlicht gehaltenen Cockpit-Bereich finden. Als Baustoffe nennt die Werft unter anderem Kiefer und Mahagoni.
Elektrische Katamarane sind im Kommen
Die Twiel Z7 ist ein neuer Ansatz, die Effizienz-Vorteile des Katamarans in ein ansprechendes Design zu verpacken. Ein markanter Entwurf aus jüngster Zeit stammt von Frauscher: die Timesquare. Und auch De Antonio kann ein spannendes Katamaran-Konzept bieten: float hat die E23 erst kürzlich getestet. Bei klassisch motorisierten Motorbooten warten die Four Winns TH 36 und der (einige Klassen größere) Best-of-Boats-Award-Gewinner Prestige M 48 mit Multihull-Konzepten auf. Der Wettbewerb der Ideen ist eröffnet, und die Twiel steht ziemlich weit vorn.
Es ist wahr: Viele können sich mit der Katamaran-Konstruktion aufgrund ihrer sperrigen Präsenz schwer anfreunden. Dem gegenüber stehen jedoch die vielen Vorteile. Ästhetische Bedenken versuchen Bootsbauer auszuräumen, indem sie diese Eigenheit der zwei Rümpfe kaschieren. Zupritt setzt sozusagen noch einen drauf. Ihm gelingt mit dem einmaligen Design ein so markanter Hingucker, dass der doppelte Kiel optisch völlig in den Hintergrund tritt.
Technische Daten Twiel Z7
Länge: 7,90 m
Breite: 2,55 m
Gewicht: 1,6 t
Tiefgang: 0,60 m
Motor: ePropulsion i20 Elektromotor, 2 x 20 kW (je 27 PS)
Maximale Crewgröße: 6 Personen
Preis: ab 380.000 Euro
Der Prototyp übertrifft die Erwartungen, die mit den ersten Renderings geweckt wurden. Jetzt kommt es darauf an, wie die Twiel Z7 sich im Element bewährt. Wir können es kaum erwarten, mit der Twiel Z7 selbst aufs Wasser zu gehen.
Dieser Text erschien am 17. Juli 2024 erstmals auf float. Aktualisiert zuletzt am 22. Januar 2025.